Ein Traum: Wanderritt durch den Fläming (Erfahrungsbericht)

Alle Träume beginnen, wie im Märchen, mit dem Prolog …

Anfang der 1990er Jahre hatten wir unsere beiden ersten Pferde in Wittbrietzen, einem kleinen Ort südlich von Beelitz, im Offenstall eingestellt. Die Stallbetreiber hatten den für die Region typischen Vierseitenhof gerade gekauft, um dort neben ihren Friesen auch einige Pensionspferde zu halten, so dass wir zu ihren ersten Einstellern gehörten. Das Gelände mit seinen Sandwegen, Nadelwäldern, Wiesen, Weiden und großen Ackerschlägen lud zu langen Ausritten ein – was wir auch reichlich taten. Schon damals war uns klar: „Hier müsste man mal einen Wanderritt machen – von einem Dorf zum nächsten, rüber in den Fläming, wo es hügelig wird.“ Viele Ortsverbindungsstraßen waren damals noch unbefestigt, so dass wir uns das Reisen zu Pferd so vorstellten, wie es früher mal gewesen sein müsste. Es hat dann weitere 9 Jahre bis zum ersten Wanderritt von Speyer nach Frankreich gedauert.

30 Jahre und einige 10.000 km auf Ritten später, als wir überlegten, wo wir denn unseren diesjährigen Wanderritt unternehmen wollten, fiel uns der Fläming wieder ein. Langweilig nach den Abenteuern in den letzten 15 Jahren? Nein – pferdegerecht, weil an unsere Pferde angepasst: Ja. Wir suchten weder Berge noch zwangsläufig lange Tagesetappen ohne Möglichkeit zum Abkürzen, um auf unseren 23-jährigen Best-Ager Rücksicht zu nehmen.

Der Start – wie immer: Im Internet recherchiert, die Quartierliste anhand der Informationen über die Fläming-Reitroute und mit Tipps vom PFERDELAND BRANDENBURG erweitert, die erste grobe Planung mittels Wanderreitkarte erstellt – und dann festgestellt, dass wir die Route ja etwas abwandeln und als Start bzw. Ziel eben jenen Ort, wo wir damals die Idee geboren hatten, nehmen könnten. Zurück zum Anfang. Flugs wurde Kontakt aufgenommen, und nach gemeinsamer Freude über ein Wiedersehen die Streckenplanung entsprechend angepasst und verfeinert. Parallel dazu wurde bei den Quartieren angefragt, wie in jedem Jahr ausgiebig geprüft, was alles zwingend mitgenommen werden muss, was noch zu besorgen ist, der Urlaub wurde eingereicht (und bewilligt!), die Schmiedetermine entsprechend gelegt und natürlich regelmäßig geritten und bereits Bekanntes wieder trainiert.

Endlich war es soweit: Wir wählten einen Sonntag wegen des geringeren Verkehrsaufkommens und machten wir uns auf den Weg Richtung Osten. Nach fünf Stunden erreichten wir alle wohlbehalten den bekannten Hof. Schwupps die Pferde abgeladen und in den vorbereiteten Stall mit großem Sandauslauf gebracht, die Abtrennung zu den anderen Pferden am Hof geprüft, Heu und Wasser vorgelegt und die große Wiedersehensfreude mit ausgiebigem Klönen begonnen – was kamen dafür schöne Erinnerungen wieder hoch!

Unser erstes Quartier hatte leider doch keinen Platz für uns organisieren können, so hatten wir noch einen Tag in unseren alten „Reitgefilden“ verbracht und uns am Dienstag auf den Weg gemacht.

Baitz – abgesehen von der Querung einer Bundesstraße, einer Bahnlinie und der A9 ging es über Sand- und Feldwege in flachem Gelände durch lichte Wälder, an Spargelfeldern und weitläufigen Wiesen, Gräben entlang und durch einige Ortschaften. Nach gut 27 km bei über 30°C waren wir froh, beim Pferdehof Peters angekommen zu sein. Dort wurden wir sehr freundlich empfangen, die Pferde kamen in einen Auslauf, und wir in eine Ferienwohnung. Abends fuhr uns Frau Peters in den nächsten Ort, wo wir Abendessen zum Mitnehmen besorgten und es uns auf dem Hof schmecken ließen. Das heftige nächtliche Gewitter ließ uns gegen halb vier nach den Pferden schauen – völlig ruhig und ein wenig erstaunt begrüßten sie uns. Ein reichhaltiges Frühstück am Morgen sorgte dafür, dass wir uns wohlgemut auf den Weg nach Groß Briesen machten. Es wurde hügeliger, die Wege sandiger und teilweise auch steiniger. Auch an diesem Tag war es wieder ziemlich warm, so dass wir froh waren, überwiegend im Wald unterwegs zu sein. Dank des vielen Regens in der vorangegangenen Woche gab es noch genügend Pfützen, so dass die Pferde – neben dem Tränken aus fließenden Gewässern – immer ihren Durst stillen konnten. Durch Schwanebeck durch kamen wir einige Zeit später an den für Brandenburg „hohen Bergen“ vorbei: 129 m – Räuberberg!

Groß Briesen – Wir genossen das Licht und die Luft im Nadelwald und haben den Reiter- und Erlebnisbauernhof Groß Briesen gemütlich am späten Nachmittag nach 22 km erreicht. Flugs waren die Pferde untergebracht und uns das Ferienhaus, wo wir übernachten durften, gezeigt. Abendessen und Frühstück gab es für alle Gäste gemeinsam im Hof oder dem Gastraum; es herrschte ein fröhliches und buntes Treiben. Von Groß Briesen ging es nach Buckautal durch die typische brandenburgische Landschaft an der großen und kleinen Rehwisch entlang – mit relativ wenig Höhenmetern, sofern man diese überhaupt erwähnen kann. Heute war es kühler und angenehmer, und die Strecke für den dritten Tag kürzer gewählt.

Birgit Rathke vom Gestüt Buckautal empfing uns sehr herzlich, zeigte uns alles, und nach der Versorgung der Pferde gab es Kaffee und Pfannkuchen. Den Nachmittag ließen wir es uns bei herrlichstem Wetter auf den Gartenstühlen gut gehen, reparierten den Helm von David, schauten immer mal nach den Pferden, die zufrieden im Auslauf ihr Heu fraßen und genossen die positive Stimmung auf dem Hof. Nach leckerem Abendessen und ebenso schmackhaftem Frühstück zogen wir weiter nach Arensnest. Wald- und Feldabschnitte wechseln sich ab, lange Zeit ritten wir am Waldrand auf einer Höhenlinie entlang und hatten eine schöne Sicht über die weiten Felder. „Berge“ mit wohlklingenden Namen wie Hahnenberg, Bullenberg, Fuchsberg, Retter Berg, Goldberg und Falkenberg – nicht zu vergessen die Butterberge – säumten unseren Weg. Nach gut 5h kamen wir in Arensnest an.

Arensnest – eine ehemalige Schäferei wird von einer Genossenschaft bewirtschaftet, die auf dem Weg zur Selbstversorgung ist, was Obst und Gemüse betrifft. Hier hatten Heroí und Staccato, unsere Pferde, eine große Weide, auf der sie sich erst einmal im Galopp austoben mussten, bevor es ans Fressen ging. Nach einer Nacht im Bauwagen mit Blick auf die Pferdeweide ließen wir es am nächsten Tag ruhig angehen – nicht, dass Pferde oder Menschen müde waren, sondern wir wollten unbedingt ins Hofcafé von Gut Schmerwitz, knapp 5 km entfernt von Arensnest. Und da es erst um 11:30 Uhr öffnet, hatten wir Zeit. Die anderen Gäste staunten nicht schlecht, als wir mit unseren Pferden an der Terrasse Halt machten. Neben dem Kaffee gab es einen super leckeren Flammkuchen mit Ziegenkäse, Walnüssen und Honig. Kulinarisches in schönster Kulisse, bestes Wetter und vor allem gechillte Pferde – das ist Urlaub vom Feinsten! Weiter ging es nach Borne zum Habichtshof, den wir nach etwa 6 Stunden wohlbehalten erreichten.

Borne – auch hier gab es wieder ein sehr nettes Willkommen, für die Pferde ein Offenstall und für uns, da die Ferienwohnung belegt war, ein Zelt. Angeregte Gespräche ließen die Zeit im Nu vergehen, der Lieferdienst brachte schmackhaftes Essen aus dem indischen Restaurant des Nachbarorts, und schon war wieder ein schöner Tag vorbei. Von Borne ging es zu einer Bockwindmühle vorbei (schöner Blick auf die Umgebung von 145 m Höhe) durch überwiegend offene Landschaft Richtung Lühnsdorf. Hin und wieder kamen Ladewagen an uns vorbei – die Maisernte war im vollen Gange. Ein Auto begegnete uns im Wald und ein sehr netter Landwirt informierte uns, dass ein Stück weiter mit großen Erntemaschinen gefahren wird. Er wollte nicht, dass sich unsere Pferde erschrecken und wir quasi unvorbereitet aus dem Wald am Feld angekommen. Wie mega aufmerksam! Am Feld angekommen war reichlich Platz, und unsere zwei sind ja Erntemaschinen erprobt – trotzdem hat ein Fahrer statt auf den Grasweg einzubiegen, auf dem wir unterwegs waren, seinen Weg noch länger auf dem Feld fortgesetzt und ist erst deutlich hinter uns auf den Grasweg gefahren. Ein tolles Gefühl über diese Rücksichtnahme. Allmählich verließen wir die 140 m Höhenlinie, kamen am Bierberg vorbei (120 m) und am Klinkeberg (108 m), bevor wir auf Höhe vom Hottenberg (96m) abstiegen und in Lühnsdorf zum Gasthaus Alte Schmiede liefen.

Lühnsdorf – dort gibt es einen Streichelzoo mit mehreren Weiden, von denen die hinterste für unsere beiden Besten zur Verfügung stand. Nach einem großen Eisbecher auf der Terrasse und einem hervorragenden Abendessen haben wir umgepackt: Auf den letzten beiden Etappen wollten wir statt der vier Hinterpacktaschen nur noch zwei mitnehmen, weil wir einiges, wie z.B. die Schlafsäcke, nicht mehr brauchten. Die Sachen wurden im Gasthaus deponiert und die Abholung zwei Tage später vereinbart. Dies war der Plan, als wir uns zu einer weiteren 25+km Etappe aufmachten. Wir wanderten die ersten Kilometer entlang einer wenig befahrenen Straße, ehe wir erneut die A9 querten – dieses Mal in einem Tunnel – und aufstiegen, um gemütlich nach und durch Niemegk zu reiten. Vorbei an einer Außenstelle des Geoforschungsinstituts Potsdam ändert sich die Landschaft deutlich: Das wellige weicht der flachen Landschaft. Große Felder unterbrochen von Waldstücken und Alleen – ein Kontrast im Kleinem.

Hinter Niemegk setzten wir zum ersten Trab an und bemerkten die Lahmheit von Heroí. Im Schritt keine Auffälligkeit und im Trab geringfügig lahm. Shit! Auch mit Übernahme des gesamten Gepäcks auf Stacco, der die Pause zum Überlegen wohlwollend und grasend verbringt, ist eine Fortsetzung über die letzten 50+km keine Option für uns.

Wir organisierten einen Transport von Antje zum Hof in Wittbrietzen, wo sie unser Gespann nimmt und zurück nach Niemegk kommt. Dort wartete ich am Friedhof mit beiden Pferden an der Hand auf den Transport. Nebenan ist eine Grundschule und entsprechend viel Trubel und den obligatorischen „Pferde!!“-Rufen. Irgendwie eine angenehme und friedliche Stimmung, während Stacco und Heroí im Schatten stehen, dösen und ein vorbildliches Gespann abgeben. Nach gut 3 Stunden kommt Antje mit dem Anhänger und wir Verladen binnen 5 Minuten alle Sättel, Gepäck und die Pferde und sind dann wieder auf dem Weg nach Wittbrietzen.

Wir lassen Heroí den folgenden Tag zur Erholung im Auslauf und nutzten die Zeit für eine Stippvisite bei der Familie und Freunden …

Fazit: Alles kann und nichts muss! Dies ist seit Jahrzehnten unsere Devise und hat sich auch dieses Mal wieder bewährt. Auch wenn man keine Abenteuer plant, so finden sich immer wieder Herausforderungen unterwegs: Umgestürzte Bäume, geschotterte Wege, die wir nicht möchten, defekte Ausrüstung oder Verletzungen.

Kann man sich auf alles vorbereiten: Nein! Man kann aber lernen (und trainieren), wie man reagiert, welche Abläufe wichtig sind (Ruhe bewahren, nachdenken, Optionen besprechen, und entscheiden) – die Wichtigkeit gilt in erster Linie der Sicherheit und Gesundheit aller(!) Beteiligten. Strecken, Kilometer-Ziele o.ä. sind nebensächlich.

Und nu? Nach dem Ritt ist vor dem Ritt. Ideen für 2024 werden besprochen, verworfen und wieder diskutiert. Die Pferde haben jetzt Ruhe – HALT! Nein, das haben sie nicht. Der geschilderte Ritt und die zwei Fahrtage stellten nur eine leichte Arbeit dar. Jetzt kommt erstmal eine Woche Intensiv-Training bei unserer Trainerin, außer für Heroí, der erst wieder das GO vom Tierarzt erhalten muss, und anschließend folgt die Routine am Stall: Ausreiten, Platzarbeit, Bodenarbeit – sorgsames Reiten und gemeinsam Spaß haben.

Text: David Wewetzer
Foto: Antje Wewetzer